30. Propstei

Die Propstei, deren Gebäude den Rosenhof, in dem wir stehen, umgeben, bildete den Abschluss der Immunität zur Stadt hin. Bis 1515 hatte der Propst des Stiftes hier seinen Sitz.

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Der bekannteste Propst war Nikolaus von Kues,

Ölgemälde mit Nikolaus von Kues
Nikolaus von Kues (1401-1464)


der von 1435 bis 1445 und dann wieder von 1459 bis 1464 diese Pfründe inne hatte. In den Jahren der ersten Verleihung dieses Amtes vollendete er 1440 in Kues sein bekanntestes Werk „De docta ignorantia".

Der Anfang von De docta ignorantia in einer Handschrift aus dem Besitz des Verfassers
Der Anfang von "De docta ignorantia"


1515 wurde dem Erzbischof von Trier das Amt des Propstes übertragen. Der Bau links vor uns, der mittlere und älteste Teil aus dem 15.-17. Jh., war seit 1515 die Kellerei. Hier wurden die Einnahmen verwaltet.

Erweitert wurde der Bau um die Giebelhäuser durch Franz Georg Severus Weckbecker (1775- 1862).

Franz Georg Severus Weckbecker
Franz Georg Severus Weckbecker


Er war mit Immobilienspekulationen reich geworden. So hatte er auch nach 1802 den größten Teil der Propstei aus französischem Staatsbesitz erworben. An seine Familie erinnert der Wappenstein, der 1913, auf Wunsch der Nachkommen, von der Stadt angebracht wurde.

Von 1897-1998 war in diesem Gebäude die Amts-Stadtverwaltung untergebracht. Zu den Einkäufen des Weckbecker zählte auch der Marstall, der 1535 von Kurfürst Johann III. von Metzenhausen (1531-1540) erbaut wurde.

Grabmonument des Johann III. von Metzenhausen aus dem Trierer Dom
Grabmonument des Johann III. von Metzenhausen im Trierer Dom


Johann III. von Metzenhausen
Wappen des Johann III. von Metzenhausen


Er befand sich auf der freien Fläche, auf der wir stehen. Er war das größte profane Gebäude der Stadt. In ihm wurden auch die Abgaben der Zehntpflichtigen gelagert.
Er brannte am 1. Februar 1914 ab.

Foto nach dem Brand des Marstalls, 1914
Brand des Marstalls, 1914


Der Brand des Marstalls in einem Gemälde
Brand des Marstalls 


Links von uns vor den Mauerresten steht die Büchel-Stele.
Sie wurde 1993 errichtet und erinnert an Johann Büchel V. (1754-1842), der Tuchmachermeister und 1785/86 sowie 1794 Bürgermeister war.

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Selbstportrait des Johann Büchel


Auch dem revolutionären Frankreich diente er nach 1794 zum Wohle der Stadt. Seine vielbändige Chronik ist die wichtigste Quelle zur Geschichte der Stadt. Anders als sein Zeitgenosse Weckbecker, der die Zeiten des Umbruchs zur Bereicherung nutzte, endete Büchel als Opfer seines Eintretens für das Gemeinwohl in Armut.

Über das Tor vor uns zur Linken kommen wir zum ehemaligen Wochenmarkt und verlassen den Bereich des Stiftes.

Glossar

Immunität

Im Mittelalter bezeichnet man mit Immunität die Befreiung von Orten, Personen oder Besitzungen von Abgaben, Diensten und Lasten sowie Schutz vor weltlichen Eingriffen. Zur Immunität gehört auch das Asylrecht, das jeden schützt, der sich in seinen Bereich begibt. Dieses Recht wurde 1791 von dem letzten Trierer Kurfürsten Clemens Wenzeslaus aufgehoben. Ein Missetäter, der einen steinernen Stuhl in der Nähe des Rathauses bei der Michaelskapelle erreichte, konnte von der weltlichen Obrigkeit nicht mehr ergriffen werden.

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Propst

Der Propst vertrat das Stift nach außen. Er hatte die Rechte, Güter und Einkünfte des Stiftes zu verteidigen und das Sendgericht zu leiten. Dem Kapitel stand der Propst mit eigenen Rechten und Pflichten sowie eigenen Einkünften gegenüber. Er sollte vom Kapitel gewählt und vom Erzbischof bestätigt werden. Entscheidend für die Besetzung des Amtes war oft die päpstliche Empfehlung. Nach 1515 übernahm der Erzbischof von Trier das Amt als weiteren Titel und zusätzliche Einnahmequelle.  

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Nikolaus von Kues

Nikolaus von Kues, latinisiert Nicolaus Cusanus, geboren 1401 in Kues, gestorben 1464 in Todi, Umbrien, war schon zu Lebzeiten berühmt für seine allseitige und umfassende Bildung. In der Kirchenpolitik spielte Nikolaus eine bedeutende Rolle, insbesondere in den Auseinandersetzungen um die Kirchenreform. Auf dem Konzil von Basel stand er anfangs auf der Seite der Mehrheit der Konzilsteilnehmer, die eine Beschränkung der Befugnisse des Papstes forderte. Später wechselte er aber ins päpstliche Lager, das letztlich die Oberhand gewann. Er setzte sich tatkräftig für die päpstlichen Interessen ein, zeigte diplomatisches Geschick und machte eine glanzvolle Karriere als Kardinal, päpstlicher Legat, Fürstbischof von Brixen und Generalvikar im Kirchenstaat. Vor diesem Hintergrund sind seine zwei Amtszeiten als Propst in Münstermaifeld, mit seltenen Präsenzen, ein Schmuck für das Stift, eher eine Episode für ihn.

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"De docta ignorantia"

Wir führen dieses Werk hier an, weil es den Namen des Philosophen, Theologen, Mathematikers am häufigsten begleitet. Aus der lokalhistorischen Perspektive wird das Werk wichtig, weil es während der ersten Amtszeit des Cusanus als Propst des Stiftes Münstermaifeld 1440 verfasst wurde. An die Beziehung des Nikolaus von Kues mit Münstermaifeld erinnert eine Plastik im Bereich des ehemaligen Kreuzganges. Sie verbildlicht die leitende Idee des Cusanus von der Aufhebung des Gegensätze von Wissen und Glauben.

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Franz Georg Severus Weckbecker

Er wurde am 2. Juli 1775 in Sevenich geboren. Sein erstes Geld verdiente er mit der Lieferung von Futtermitteln an die Kriegsparteien der Revolutionskriege. Bei der Versteigerung der Domänen durch den französischen Staat nach 1802 war er einer der erfolgreichsten Bieter. Er steigerte nicht nur kirchliche Güter, sondern bot auch für bürgerliche und adelige Immobilien. Nur einmal verließ er den Geschäftsbereich der Spekulation mit Landprodukten und Immobilien. Im Sommer 1852  zeichnete er in einer Gesellschaft zum Bau der linksrheinischen Eisenbahn von Bonn über Koblenz nach Bingerbrück Anteile über 1,5 Millionen Taler. Die Gesellschaft beantragte beim preußischen Handelsministerium eine Konzession, kam aber nicht zum Zuge. Seinen wirtschaftlichen Erfolg verdankt er der französischen Revolution und der Zugehörigkeit der linksrheinischen Rheinlande zu Frankreich. Auch familiär war er mit Frankreich verbunden. Sein Schwager der Hauptmann der Dragoner Henry Joseph Debaisieux wurde 1804 von Napoleon als Ritter der Ehrenlegion ausgezeichnet. Sein Enkel Marie Francois Georges Ulric Stoffels fiel als Unterleutnant 1870 im Kampf gegen Preußen und seine Verbündeten. Er wurde posthum zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Franz Georg Weckbecker starb am 16. März 1862. Er hinterlässt in der Erinnerung der Stadt das Bild eines erfolgreichen Aufsteigers und mit der "Weckbecker Villa" ein gelungenes Beispiel für den klassizistischen Baustil. Die Autobiographie seines ältesten Sohnes Peter Weckbecker stellt uns seinen Vater Franz Georg als einen tatkräftigen, intelligenten Mann vor, dessen Schulbildung mit drei Jahren Winterschule abgeschlossen war. Seinen Lebenszweck fand er in der Vermehrung seines Reichtums. Es waren seine beiden Ehefrauen, die dafür sorgten, dass die 15 seiner 22 Kinder, die das Kindesalter überlebten, eine gute Ausbildung erhielten. So finden wir in den Familien der zahlreichen Nachkommenschaft Lebensläufe, die sich weit vom Vorbild des Vaters entfernten. Für alle aber war der Reichtum des Vaters die Grundlage für eine berufliche Karriere, geschäftlichen Erfolg oder eine statusfördernde Heirat. Die Grabmale seiner Familie erinnern daran, dass er nicht nur im Leben sondern auch über den Tod hinaus  die Maßstäbe seiner Mitbürger verlassen hatte.

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Johann III. von Metzenhausen

 

Der 1492 in Neef an der Mosel geborene Johann machte eine schnelle Karriere im Trierer Domkapitel. In Rom verhandelte er 1514 die Verteilung der Einnahmen zwischen Trier und Rom aus dem Ablassverkauf. Der Ablass wurde anlässlich der 1512 erfolgten Ausstellung des Heiligen Rockes verkauft. Er hat in den 10 Jahren als Erzbischof viele Baumaßnahmen in Gang gesetzt, so auch den mächtigen Bau des Marstalls in der Propstei, der 1914 durch einen Brand zerstört wurde.

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Büchel

Über das Leben des Johann Büchel V. (1754-1842) siehe Büchel-Haus. Er soll hier mit seinem Werk als Chronist vorgestellt werden. Er bekleidete die verschiedensten städtischen Ämter. Er war demnach bestens informiert und hatte Zugriff auf heute nicht mehr vorhandene Quellen, die bis ins 16. Jh. zurückreichen. In seiner Lebensbeschreibung, die er 1828 begonnen hatte, nennt er 58 Titel seiner Handschriften. Darunter sind die für die Erforschung der Geschichte Münstermaifelds und des Maifeldes unverzichtbaren 12 Chronik- Bände. Sie wurden zwischen 1811 und 1828 geschrieben. 

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