3. Lindenhof

Erbaut 1770

Das Stiftsherrenhaus wurde
im 19. und 20. Jh. gewerblich
 genutzt. 1948 vom Erdgeschoss
aufwärts Rekonstruktion.

 

Das 1770 von einem Vikar des Stiftes errichtete Gebäude ging 1802, wie die meisten Immobilien des Stiftes, in das Eigentum des französischen Staates über. Es wurde von einem ehemaligen Kanoniker ersteigert und nach mehrmaligem Verkauf seit 1862 gewerblich genutzt. Als Gasthof und Brennerei trug es den Namen "Lindenhof". Die heutige Eigentümerfamilie hatte 1948 das barocke Anwesen bis auf das Ergeschoss abtragen und in den alten Maßen wiederaufbauen lassen.


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Auf dem Hof des jetzigen Hauses,

Nachgebautes Stiftsherrenhaus 1770/1948
Stiftherrenhaus "Lindenhof", 1770/1948


das 1948 vom Erdgeschoss aufwärts dem Original nachgebaut wurde, befand sich bis 1689 ein Stiftsherrenhaus. Das Gebäude brannte 1689 bei der Zerstörung der Stadt durch die Soldaten Ludwig XIV. bis auf den Keller ab.
Erst 1770 wurde von dem Kanoniker Hubert von Coels ein neues Haus errichtet. Hubert von Coels, 1736 bei Adenau geboren, gehörte als Kustos (1779-1798) zu den vier ranghöchsten Kanonikern des Stiftes: Dekan, Scholaster, Kantor und Kustos. Der Kustos verwaltete den Kirchenschatz und das Archiv. Das Leitungsgremium des Stiftes war das Kapitel, die Versammlung der Kanoniker.

Zahlreiche Bedingungen mussten erfüllt sein, um Vollmitglied des Kapitels zu werden. Die Priesterweihe gehörte nicht zu den Voraussetzungen.
Die Zuweisung eines Kanonikats wurde Präbende oder Pfründe genannt. Die Zahl der residierenden Kanoniker schwankte zwischen 12 und 16. Nicht alle Kanoniker waren zur Anwesenheit verpflichtet. Auch zur Förderung des Aufbaus der Universität in Trier wurde 1474  ein Kanonikat zur Versorgung eines Dozenten vorgesehen. Nur die Mitglieder des Kapitels konnten Inhaber der Dignitäten, als Träger besonderer Würde und Verantwortung, werden, so wie der oben genannte Hubert Coels als Kustos. Dem Kapitel stand der Propst mit eigenen Rechten, Pflichten und Einkünften gegenüber. Bis 1515 wurde er in der Regel vom Kapitel gewählt und vom Erzbischof bestätigt. Häufig kamen die Empfehlungen zur Besetzung der Pfründe aus Rom. Um die Besetzung der Pfründe des Propstes kam es wiederholt zu Auseinandersetzungen. Im Jahre 1515 erhielt der Erzbischof von Trier das Amt des Propstes als eine weitere Würde und Einnahmequelle. Der Propst vertrat das Stift nach außen und war für die innere Verfassung verantwortlich. Er stand dem Sendgericht vor. Auch entschied er über einen Teil der frei werdenden Pfründe. Neben den Kanonikern gab es die Vikare und Altaristen. Sie hatten die Aufgabe, die gestifteten Messen und Jahresgedächtnisse an den ihnen übertragenen Altären zu halten. Ihre Zahl war von der Zahl der Altäre abhängig. In der Verwaltung ihrer Güter und Einkünfte unterstanden sie dem Kapitel.

Nach von Coels erwarb 1802 Johann Jakob Zunderer, von 1773-1802 Kanoniker des Stiftes, das Haus. Der ehemalige Stiftsherr wurde als erfolgreicher Landwirt im Maifeld bekannt. Informationen über das ehemalige Stiftsherrenhaus haben wir dann wieder 1862. Der Wirt Nikolaus Strauchscheid aus Münstermaifeld erwarb es und eröffnete die Gastwirtschaft "Zum Lindenhof".

Das Stiftsherrenhaus vor dem 2. Weltkrieg
Stiftsherrenhaus "Lindenhof" vor dem 2. Weltkrieg

 

Diese bestand bis in die 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. 1922 überahm der Kaufmann Wilhelm Schwab das nun "Lindenhof" genannte Haus samt Brennrecht und betrieb die gleichnamige Obst-und Wein-Brennerei bis 1952.

Werbung für die Brennerei
Werbung für die Brennerei "Lindenhof"

 

Glossar

Dekan

Der Dekan stand an der Spitze des Kapitels, der Versammlung der Kanoniker. In der Regel wurde er vom Kapitel gewählt und vom Erzbischof bestätigt. Er war auch für die Überwachung der Disziplin im Stift zuständig. Die Rügen von Disziplinlosigkeiten wiederholten sich bis in das 18. Jh. So fiel es den Kanonikern und Vikaren schwer, sich an die Kleiderordnung zu halten. Das Verbot, am Gürtel ein Messer zu tragen, musste ebenso in Erinnerung gerufen werden, wie der Verzicht auf das Tragen von Handschuhen und genagelten Schuhen. Bei den Diensten in der Kirche fehlte es oft an der nötigen Andacht. So wurden beim Chorgebet Briefe gelesen und während des Gottesdienstes miteinander geredet. Eine wiederholte Mahnung galt den Trinkgewohnheiten nach Begräbnissen und während der Fastnacht. 

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Scholaster

Der Scholaster war der Leiter der Stiftsschule. Seiner Aufsicht unterstanden die Schulmeister und die Schüler. Er vertrat bei dessen Abwesenheit den Dekan.

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Cantor

Der Cantor leitete den Gesang beim Gottesdienst und beim Chorgebet. Er sollte auch darauf achten, dass auf der Orgel keine weltlichen oder unpassenden Melodien gespielt wurden.

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Sendgericht

Der Send war ein geistliches Gericht. In Münstermaifeld war es bis 1515 der Propst, danach in Vertretung des Erzbischofs der Dekan, der den Send leitete. Ihm zur Seite standen die Sendschöffen, in der Regel 7, die die ihnen bekannt gewordenen Übertretungen vortrugen und dem Urteil des Sendrichters beiwohnten. Für die Angehörigen der Pfarre Münstermaifeld begann der Send an jedem Freitag nach dem Fest Kreuzerhöhung (14. September) in der Stiftskirche vor dem Severusaltar, Zu den gerügten Übertretungen gehörten: Nicht bezahlte Zinsen, nicht abgehaltene Jahresgedächtnisse, Nichtteilnahme an der Kommunion, Wucher, Meineide, Ehebruch, Unzucht, Streit, nicht beachtete Feste. Meist genügten von der Kanzel verkündete Rügen und Ermahnungen, seltener auch die öffentliche Bloßstellung durch Umhängen des Schand-oder Lastersteins. Noch 1768 mussten die Eheleute Matthias und Anna Geis in der Stiftskirche öffentliche Buße verrichten. Sie knieten während der ganzen Messe , barfuß, in der rechten Hand eine Kerze und in der linken Hand eine Rute. Diese bei Ehebruch übliche Buße wurde 1782 durch Erzbischof Clemens Wenzeslaus verboten.

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