6. Ehemalige Stiftskirche
Erbaut 11. – 14. Jh.
St. Martin und St. Severus.
Turmbau von der Vorgänger-
kirche 11/12. Jh., Neubau vom
Chor aus von 1225 bis 14. Jh.
Die Baugeschichte der heutigen, dritten Kirche beginnt wohl 1225. Von der Apsis, noch mit romanischem Formbestand, baute man im gotischen Stil auf die Westfassade der Vorgängerkirche zu. Wohl aus Geldmangel musste die ursprüngliche Planung aufgegeben werden und der Turmbau der romanischen Vorgängerkirche aus dem 11./12. Jh. wurde in den Neubau einbezogen. Der Bau der Vorhalle (Paradies) und die Aufstockung des Turmbaus folgten bis Ende des 14. Jh. Erzbischof und Kurfürst Balduin von Luxemburg (1307-1354) hatte den Fortgang des Baus entscheidend gefördert.
Die Stiftskirche beherrscht das Bild der Stadt. Ihre Lage führt uns zurück in die Zeit der Zugehörigkeit des Maifeldes zum Römischen Reich. Nach der Eroberung Galliens 50 v. und mit der Sicherung der Rheingrenze unter Augustus (31 v.-14 n.) war hier vielleicht im Anschluss an ein Militärlager, eine erste Ansiedlung entstanden. Umgeben war sie von Landgütern. Für diese erste Niederlassung ist die Bezeichnung "vicus Ambitivus (Ambitarvius)" überliefert.
Die Gräberfelder aus der Merowingerzeitzeit (6.-8. Jh.) um die Kirche lassen auf eine Kontinuität der Besiedlung über das Ende der römischen Herrschaft hinaus schließen. Die erste Martinskirche bestand wohl schon zu Beginn des 7. Jh. zur Zeit des Bischof Modoald (614/25 - ca. 647/49). Der Heilige Martin war für die Franken und die herrschenden Merowinger der wichtigste Kirchenpatron. Von dieser Kirche gibt es keine Überreste.
Das zur Kirche gehörende Kollegiatstift hatte sich aus einer Priestergemeinschaft entwickelt. Diese Weltgeistlichen sollten im Auftrag des Bischofs von Trier am Aufbau einer Pfarrorganisation mitwirken.
Nach der Überführung der Reliquien des Presbyter Severus aus Italien im Jahr 952 erhielt die Kirche ein zweites Patrozinium. Die erste Nennung des heiligen Severus als Kirchenpatron neben dem heiligen Martin erfolgte 1052.
Wohl im Zusammenhang mit der Überführung der Reliquien und mit der Festigung der Stiftsgemeinschaft im 11. Jh. entstand der Plan für einen Neubau der Kirche.
Mit der Weihe 1103 war dieser Bau im Wesentlichen abgeschlossen. In dieser Zeit wurde unsere Kirche als "basilica Sancti Martini in pago Meinfeldensi" bezeichnet.
Im Jahr 1225 gibt es erste Belege für den Baubeginn der neuen Kirche, vor der wir stehen.
Auch diesem Neubau ging eine Stärkung des Heilsangebotes der Kirche für die Gläubigen voraus. Der Ritter Heinrich von Ulmen war Teilnehmer des 4. Kreuzzuges 1202-1204, der mit der Eroberung und Plünderung des christlichen Konstantinopels endete. Ritter Heinrich schenkte der Kirche eine der Kreuzreliquien, die er aus Konstantinopel mitgebracht hatte.
1228 wird zum ersten Mal ein "Heilig Kreuz Altar" erwähnt.
Es war eine Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs, weshalb der Bau sehr großzügig geplant war. Dann kam es zu finanziellen Einbrüchen und anderen Schwerpunkten der Mittelverwendung, wohl in erster Linie für den Bau der Stadtmauer. So musste die Kirche, unter Einbeziehung des Westwerkes der Vorgängerkirche, um ein Joch verkürzt, gebaut werden.
Für längere Zeit setzte die Bautätigkeit ganz aus. Eine erste Teilweihe soll durch Erzbischof Balduin 1322 erfolgt sein. Die Baumaßnahmen, wie die Aufstockung des von der Vorgängerkirche übernommenen Turmbaus und der Bau der Vorhalle, des Paradieses, setzten sich bis Ende des 14. Jh. fort.
Um dem Besucher des Inneren der Kirche eine Orientierung zu geben, gehen wir der Geschichte der Abfolge der Hauptaltäre im Ostchor nach. Ein erster Altar, der Severus Altar, entsprach der zunehmenden Bedeutung des zweiten Kirchenpatrons seit dem 13./14. Jh. Von diesem Altar gibt es keine Überreste. In der Vorhalle der Kirche, dem Paradies, wacht der heilige Severus gleichberechtigt mit dem heiligen Martin über dem Eingang.
Seit 1365 trennte ein Lettner, eine steinerne Schranke, den dem Kapitel vorbehaltenen Chorraum vom übrigen Kirchenschiff. 1518 wurde der "Antwerpener Goldaltar" bestellt, ein spätgotisches Retabel, das heute wieder den Hauptaltar krönt. Bei geöffneten Flügeln erzählen 92 Figuren und 10 Tafeln die Heilsgeschichte.
1722 trat an die Stelle des steinernen Lettners ein Chorgitter und 1744 wurde der "Goldaltar" als Hauptaltar entfernt, ein barocker Altar ersetzte ihn.
Zur gleichen Zeit wurde das Innere der Kirche geweißt. Zusammen mit der barocken Stumm Orgel von 1722 war so die romanisch-gotische Architektur im Innenraum vom Barock beherrscht.
Der mächtige barocke Altar wurde 1791 verkleinert und die verbliebenen Teile wurden neu bemalt.
Die Statuen der Heiligen, Martin, Severus, Hubertus, Johannes der Täufer und der Madonna Assunta, die Teil des barocken Altaraufbaus waren, stehen heute im rechten Seitenschiff und in den beiden Nebenchören.
Die Aufhebung des Kollegiatstiftes 1802, die Rückführung auf die Funktion einer Pfarrkirche machten das Chorgitter überflüssig. Es wurde 1808 versteigert und zur Abschließung der gerade ersteigerten Propstei verwendet.
1859/60 wurden die Reste des Barockaltars abgebaut und ein neugotischer Altar, mit den 4 großen Kirchenvätern in den Altarnischen, aufgestellt.
Diese Figuren stehen seit der Renovierung der Kirche in den Jahren 1931-1933 in der Sakristei. Damals wurde auch der 1744 entfernte Goldaltar wieder als Hauptaltar in den Chor versetzt.
Wenn wir jetzt in die Kirche gehen, wenden wir uns in Richtung Chor, gehen ein Stück bis zum Querschiff vor und schauen nach links zum Fresko des Christophorus.
Hier verweilen wir einen Augenblick, denn uns wird versprochen: "Wer immer des hl. Christophorus Antlitz erblickt, den wird an diesem Tag kein Unheil treffen".
Hier finden Sie einen weiteren interessanten Aufsatz mit dem Thema "Das Kirchweihfest 2022 und die Hose des Dekans". Eine Ausarbeitung von Wolfgang Fuhrmann. Sie liegt als PDF-Version in einer Größe von etwa 0,9 MB vor (bitte überlegen Sie, ob Sie die Version mit Ihren mobilen Daten herunter laden möchten).
Glossar
Balduin
Erzbischof und Kurfürst von Trier (1307-1354). Balduin aus dem Hause Luxemburg, Bruder des deutschen Königs und römischen Kaisers Heinrich VII. (1308-1313) war einer der einflussreichsten Reichsfürsten in der ersten Hälfte des 14. Jh. In seiner Regierungszeit wurde Münstermaifeld ein Vorposten der Territorialpolitik des Trierer Erzbischofs. So war die Vollendung des Baues der Stiftskirche auch eine Demonstration der Trierer Präsenz gegenüber dem benachbarten Köln. Die Verstärkung der Stadtbefestigung bestätigte die Bedeutung des Amtes Münstermaifeld für die Sicherung der erzbischöflichen Herrschaft. Die Durchsetzung des Landfriedens schützte die städtische Entwicklung gegen Übergriffe des Adels.
Christophorus
Der über 8 m hohe Christophorus in der Stiftskirche trägt das Jesuskind auf den Schultern. Es fehlt die Flusslandschaft, die zur Erzählung der Legende gehört: In der Mitte des Stromes keuchte der Riese Offerus: "Kind, du bist so schwer, als hätte ich die Last der ganzen Welt zu tragen!" Das Kind antwortete: "Wie du sagst, so ist es, denn ich bin Jesus, der Heiland. Und wie du weißt, trägt der Heiland die Last der ganzen Welt." Am anderen Ufer angelangt, setzte Offerus das Kind ab, worauf das Kind zu ihm sagte: "Du hast den Christus getragen, von jetzt an darfst du Christofforus heißen."
Kollegiatstift
Das Stift war eine Gemeinschaft von Weltpriestern. Sie gehörten keiner Ordensgemeinschaft an. Die Kanoniker, auch Stiftsherren genannt, besaßen Privatvermögen und legten kein Gelübde ab. Sie konnten jederzeit die Gemeinschaft wieder verlassen. Oft war das Kanonikat ein reiner Ehrentitel oder auch eine weitere Einkommensquelle. Empfehlungen zur Aufnahme als Kanoniker kamen vom Erzbischof, vom Papst oder auch vom König.
Kirchenväter
So werden die christlichen Autoren der ersten acht Jahrhunderte bezeichnet, die entscheidend zur Lehre und zum Selbstverständnis des Christentums beigetragen haben und deren Leben als heiligmäßig gilt. Im Abendland werden Ambrosius, Hieronymus, Augustinus und Gregor der Große als die großen Kirchenväter bezeichnet. Die Figuren dieser Vier standen in den Nischen des neugotischen Altares von 1859.
Merowinger
Die durch Chlodwig, der 496 zum katholischen Glauben übertrat, gesicherte Herrschaft der Merowinger als Könige des Frankenreiches, dauerte bis 751. Nach einer als Fälschung erkannten Urkunde hätte Dagobert, König der Merowinger von 623-639, dem Bischof Modoald 633 alle Rechte und Güter am Ort der zu errichtenden Kirche bestätigt. Die Stiftung der Martinskirche und der Aufbau einer Priestergemeinschaft werden, unabhängig von der Urkunde, für die Zeit Dagoberts und Modoalds als bestätigt angesehen.
Modoald
Er wurde wohl 614 Bischof von Trier. Von Bedeutung war er als Gründer von Klöstern und Priestergemeinschaften. Seit Ende des 9. Jh. wurde er in Trier als Heiliger verehrt.
Severus
Der heilige Severus (6. Jh.), nicht zu verwechseln mit dem in Boppard verehrten Severus, im 4. Jh. Bischof von Ravenna, stammte aus Antrodoco in der heutigen Provinz Rieti. Seine Reliquien wurden von Erzbischof Ruotbert (931-956) zunächst nach Trier und von dort Jahre später über Hatzenport auf das Maifeld gebracht. Die Legende, die ihn begleitete, handelt von der Erweckung eines Toten, der wegen einer Nachlässigkeit des Severus ohne letzte Tröstung starb. Nach der Erweckung gab Severus ihm die Sakramente und konnte ihn so in Frieden sterben lassen. Severus galt im Maifeld als Helfer und Fürsprecher bei Krankheit, Teuerung und Trockenheit.
Stumm Orgel
1723 wurde von dem Orgelmacher Johann Michael Stumm aus Sulzbach eine neue Orgel, schon die Vierte seit dem 15. Jh., für das Stift gebaut. Von dieser Orgel ist heute noch der Orgelprospekt (die Schauseite) vorhanden. Das Pfeifenwerk wurde 1857/61 durch den Orgelbauer Ludwig Hünd ersetzt. Die Orgelbaufamilie Stumm hat von 1717 bis 1907 in sieben Generationen über 370 Orgeln gebaut. Davon sind 140 noch heute erhalten. Die Orgel in Münstermaifeld war in dieser langen Reihe die zweite von den Stumm gebaute Orgel.