22. Severusbrunnen
Wir stehen vor dem Severusbrunnen. Der Severusbrunnen oder, wie die Gesamtanlage genannt wird, der "Bur", war seit dem Mittelalter als Quellbrunnen neben den 9 öffentlichen und privaten Ziehbrunnen für die Wasserversorgung der Stadt unverzichtbar. Bis zum Bau einer städtischen Wasserleitung 1893 hatte sich seit den Anfängen der Stadt an der Wasserversorgung nichts geändert.
An den öffentlichen oder "gemeinen" Brunnen hatte jeder Bürger das kostenlose Zugrecht. Über die Jahrhunderte wurde die Brunnenanlage immer wieder erneuert. So auch 1772, als ein neuer Auslauf gefertigt wurde.
Die Pilger zum Heiligen Severus brachten sein geweihtes Wasser zur Heilung für sich und ihr Vieh nach Hause. Der Heilige Severus war als Helfer und Fürsprecher im Maifeld sehr verehrt.
Am Ende des 19. Jh. gab es noch 6 Gerbereien, sie hatten hier ihren Standort.
Rechts von uns das letzte noch vorhandene Gerberhaus. Es war ein "anrüchiger" Ort. Neben der Lauffenburg hatte der letzte Scharfrichter und Abdecker der Stadt, Theodor Herschler, sein kleines Wohnhaus.
Zu der Anlage des "Bur" gehörte auch eine Viehtränke und ein Brandweiher.
Links hinter uns das nachgebaute Waschfrauenhaus erinnert an die Nutzung des "Bur" als Waschbrunnen und Bleichwiese.
Beherrscht wird der "Bur" von der Lauffenburg. Sie war Teil der unter Balduin von Luxemburg im 14. Jh. vollendeten Stadtbefestigung. Über die Jahrhunderte wurde sie als Fluchtturm, Wachturm, Pulverturm und Gefängnis genutzt. In ihr war auch die Folterkammer, in der im 17. Jh. 26 namentlich bekannte Hexen und Hexer gequält wurden. Das oberste Stockwerk wurde 1981 bei der Restaurierung aufgesetzt und mit einem Kegeldach ergänzt. Der Turm ist zu besichtigen.
Hinter uns einer der wenigen erhaltenen Teile der Stadtmauer. An ihrem heutigen Abschluss, so die alten Erzählungen, soll der Graf Siegfried der Genoveva Legende ein Schloss bewohnt haben.
Glossar
Severus
Der Heilige Severus (6. Jh.), nicht zu verwechseln mit dem in Boppard verehrten Severus, der im 4. Jh. Bischof von Ravena war, stammte aus Antrodoco in der heutigen Provinz Rieti. Seine Reliquien wurden von Erzbischof Ruotbert (931-956) zunächst nach Trier und von dort Jahre später über Hatzenport auf das Maifeld gebracht. Die Legende, die ihn begleitete, erzählte von der Erweckung eines Toten, der wegen einer Nachlässigkeit des Severus ohne letzte Tröstung starb. Nach der Erweckung gab Severus ihm die Sakramente und konnte ihn so in Frieden sterben lassen. Severus galt im Maifeld als Helfer und Fürsprecher bei Krankheit, Teuerung und Trockenheit.
Abdecker
Berufsbezeichnung für die Tätigkeit der Verwertung und Beseitigung von Tierkadavern. Eine andere Bezeichnung war Wasenmeister. Der Wasen, Rasen, wurde über den Kadaver gedeckt. Das Amt des Scharfrichters und des Abdeckers waren oft miteinander verbunden. Sie galten als unehrliche Berufe. Unehrlich hieß nicht betrügerisch, sondern nicht ehrenwert im Sinne der ständischen Ordnung. Der Scharfrichter, auch für die Tortur zuständig, kannte die menschliche Anatomie und trat mit diesen Kenntnissen auch als Heilkundiger auf. Die Tätigkeit wurde oft in den Familien vererbt. So gab es in Münstermaifeld die Familie Wüst, die über 100 Jahre (1650-1750) diese Tätigkeiten ausübte. Der vorletzte Scharfrichter dieser Familie Johann Peter Wüst musste die Stadt in Schimpf und Schande verlassen, da er 1761 bei der Hinrichtung des Peter Frank schlechte Arbeit mit dem Schwert geleistet hatte.
Balduin
Erzbischof und Kurfürst von Trier (1307-1354). Balduin aus dem Hause Luxemburg, Bruder des deutschen Königs und römischen Kaisers Heinrich VII. (1308-1313) war einer der einflussreichsten Reichsfürsten in der ersten Hälfte des 14. Jh. In seiner Regierungszeit wurde Münstermaifeld ein wichtiger Stützpunkt der Territorialpolitik des Trierer Erzbischofs. So war die Vollendung des Baues der Stiftskirche auch eine Demonstration der Trierer Präsenz gegenüber dem benachbarten Köln. Die Verstärkung der Stadtbefestigung bestätigte die Bedeutung des Amtes Münstermaifeld für die Sicherung der Herrschaft des Trierer Erzbischofs. Die Durchsetzung des Landfriedens schützte die städtische Entwicklung gegen Übergriffe des Adels.
Genoveva Legende
Als Pfalzgraf Siegfried als Gefolgsmann des Königs der Franken in den Krieg zog, wurde Genoveva von Siegfrieds Statthalter Golo begehrt. Sein Werben wurde von der treuen Genoveva verschmäht. Daraufhin beschuldigte er Genoveva des Ehebruchs mit einem Koch und verurteilte sie zum Tode. Vom Henker wurde sie jedoch verschont und freigelassen. Darauf lebte sie mit ihrem neugeborenen Sohn sechs Jahre lang in einer Höhle, in der die Gottesmutter Maria sie mittels einer Hirschkuh versorgte. Schließlich fand ihr Ehemann Siegfried, der stets an ihre Unschuld glaubte, aber Golos Entscheidung als Statthalter akzeptierte, sie wieder und errichtete zum Dank für Genovevas Errettung eine Wallfahrtskirche. Golo wurde nach Aufdeckung des wahren Verlaufs der Geschichte auf Befehl Siegfrieds gevierteilt. Die Örtlichkeiten, die zu den Namen und Inhalten der Genoveva Legende passen, wie die Fraukirch bei Thür, die Genoveva Burg in Mayen oder die Genoveva Höhle bei Ettringen liegen in der benachbarten Pellenz. Büchel, der Chronist unserer Stadt, wollte auch Münstermaifeld an der Legende teilhaben lassen. So machte er unter Berufung auf alte Erzählungen aus dem dritten Turm der Stadtbefestigung, der 1774 abgerissen wurde, das Schloss des Grafen Siegfried von Mayfeld, des Gatten der Genoveva. Siehe dazu die Karte von 1819 mit den Grundmauern einer größeren Anlage.