17. Büchel-Haus

Erbaut vor 1725

Hier wurde Johann Büchel V.
geboren (1754-1842). Für das
Wohl der Stadt wirkte er als
Bürger und als ihr Chronist.

 

Johann Büchel V. nannte sich, als er auf sein Leben zurückschaute, einen "Vielschreiber". Vom Vater zum Theologen bestimmt, musste er nach dessen Tod als Tuchmacher das Erbe übernehmen. Als Meister der Wollweberzunft förderte er die Entwicklung seines Handwerks. Als Bürger setzte er sich in den Ämtern, die die Stadt im Ehrendienst zu vergeben hatte, für das Wohl der Stadt ein. Auch seit 1794, unter französischer Herrschaft, sah er sich weiter in der Verantwortung für das Gemeinwohl. Das brachte ihm, als er für die zu leistenden Kontributionen einstand, den Ruin. Als säumiger Schuldner eingesperrt, nur teilweise entschädigt, zog er sich ganz auf sein Schreiben zurück. Diesem Rückzug verdanken wir die 12 Bände einer Chronik der Stadt und des Maifeldes.


bild1 300px 80



Johann Büchel V. wurde am 09.09.1754 im Haus Obertorstraße 14 geboren.

Geburtshaus Büchel, Obertorstraße 14
Geburtshaus des Johann Büchel (*1754, +1842)

Er stammte aus einer Tuchmacherfamilie. Sein Vater Hubertus hatte ihn zum Studium der Theologie bestimmt. So besuchte er schon mit 5 Jahren die Lateinschule des Stiftes, mit 7 Jahren konnte er lateinische Texte übersetzen. 
Als sein Vater 1764 verstarb, musste der Zehnjährige seiner Mutter in der Tuchmacherei helfen. Er konnte sich aber noch zwei Jahre nebenher im Eigenstudium fortbilden. Mit 16 Jahren begann er eine Tuchmacherlehre und ging nach einem Jahr als Geselle auf die "Walz", die ihn bis nach Frankreich brachte. Zurückgekehrt, wurde er 1773 als 128. Meister in das Zunftbuch der Tuchmacher der Stadt eingetragen. Zugleich erhielt er das Bürgerrecht.
Seine allseits anerkannte Tüchtigkeit trug ihm viermal das Amt des Zunftmeisters ein. Sein Wissen als Meister gab er in vier Unterrichtsbüchern über die Wollweberei weiter. Auch schrieb er zwei Bücher zur Geschichte der Wolltuchmacher in seiner Stadt. Er sorgte für eine große Familie mit 11 Kindern und fand doch Zeit, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. 1785 wurde er zum Bürgermeister gewählt, ein Ehrenamt, wie alle seine Tätigkeiten, zum Wohle der Stadt.

 

2 portrait buechel
Selbstportrait, Johann Büchel

 

Er war mehrfach Mitglied des Hoch-und Stadtgerichtes, Stadtrat, sorgte als Stadtbaumeister für die Erhaltung der baulichen Infrastruktur, als Akzisemeister gelang es ihm, die Einnahmen der Stadt durch die Weinsteuer von 620 auf 1100 Gulden fast zu verdoppeln. 1794 führte er als Hauptmann das Aufgebot des mittleren Maifeldes gegen die französischen Revolutionstruppen.
Doch man brauchte ihn an der Spitze der Stadt, und so wurde er 1794 wieder Bürgermeister und blieb 1795/96 in politischer Verantwortung auch während der französischen Besetzung der Stadt. Der Freiheitsbaum,

Freiheitsbaum
Freiheitsbaum mit Jakobinermütze

 

Freiheitsbaum von Binningen BL 1832, Karikatur von Ludwig Adam Kelterborn
Freiheitsbaum von Binningen BL 1832, Karikatur von Ludwig Adam Kelterborn

 

der 1798 auf dem Münsterplatz vom Glück der neuen Zeit künden sollte, brachte Büchel kein Glück. In diesen Jahren musste er die Kontributionen für die Besatzer durch die Stadt aufbringen und verlor fast sein ganzes Vermögen mit den Anleihen, die er zeichnete. Die französische Verwaltung weigerte sich, ihn zu entschädigen. So geriet er in die Ausweglosigkeit einer zunehmenden Verschuldung.
Im Dezember 1806 zwangen ihn seine Gläubiger in einen Prozess, der mit einer Gefängnisstrafe in Koblenz endete, aus der er nur über Kaution freikam. Sein Hab und Gut war verloren. Seine Frau Sybilla Boos, mit der er seit 1775 verheiratet war, hatte sich auf die Walkmühle im Schrumpftal zurückgezogen. Er folgte ihr dorthin bis 1811. Endlich bekam er eine Entschädigung zugesprochen. Er kehrte nach Münstermaifeld zurück. Es wurden ihm 2000 Rheinische Taler zugebilligt, er selbst berechnete seine Außenstände mit 17 000 Talern.

Von nun an fügte er seiner Unterschrift die Buchstabenfolge p.m.m.t.g. hinzu = pro meritis male tractarunt Agamemnona Grai. (Die Griechen haben dem Agamemnon seine Verdienste schlecht vergolten) In freier Übersetzung: "Undank ist der Welten Lohn".

Unterschrift Büchels Unterschrift des Johann Büchel

In den folgenden Jahren entstand sein umfangreiches Werk mit über 58 Handschriften, von denen die 12 Bände zur Geschichte Münstermaifelds und des Maifeldes weiterhin unverzichtbar sind. Diese Bücher wurden 1811-1829 von ihm als "Bruder Nikolaus Linden" geschrieben, der sich bei seinem "Wohlthäter" Büchel immer wieder der Richtigkeit seiner Erzählung vergewissert. Büchel nannte sich selbst in sympathischer Bescheidenheit einen "Polygraphen", einen Vielschreiber.
Nach dem Tod seiner Frau 1815 zog er sich ganz zu seinen Büchern zurück. Im Blick auf seine Lebensgeschichte sah er die Zukunft seiner Stadt pessimistisch. Die französische Revolution, dann die preußische Herrschaft hatten Herausforderungen freigesetzt, denen er die kleine Stadt nicht gewachsen sah. Er kritisierte die Spekulation mit Immobilien, die Suche nach dem schnellen Geld. Er sah den Bedeutugsverlust der Stadt und den wirtschaftlichen Abstieg voraus. Ein Beleg war für ihn die wachsende Zahl der Auswanderer, die auch Münstermaifeld verließen. Es war nicht nur die Not, die die Münstermaifelder in die Fremde trieb, sondern auch die Enge und Beharrungskraft der ländlich katholischen Lebenswelt, die auch durch die revolutionären Ereignisse von 1830 und 1848 nicht erschüttert werden konnte. Zu denen, die Münstermaifeld verließen, um für ihre Ideale kämpfen zu können, gehörten Peter Kaufmann und Salomon Kaufmann. So wie Büchel waren sie Handwerker und Autodidakten, die im Schreiben ihre Erfüllung fanden.

Peter Kaufmann wurde am 30. September 1800 als unehelicher Sohn der Margaretha Süsterhenn und des Stadtsekretärs Johann Kaufmann in der Hintergass 4 (heute Kirchspielstraße 6) in Münstermaifeld geboren, Als gelernter Tabakspinner kam Peter Kaufmanm 1820 nach Philadelphia, wo er neben seiner Tätigkeit in einem Tabakgeschäft ein intensives Selbsstudium begann. 1825 war er Partner bei der Gründung eines so genannten "Labour for Labour"-Ladens in Philadelphia. Nach dem Vorbild von Johann Georg Rapp  und Robert Owen gründet er 1827 die Gemeinschaft “Teutonia“, die einem religiös begründetem Ideal des Gemeineigentum folgen wollte. Vier Jahre später ließ er sich in Canton, Ohio, nieder und wurde Herausgeber von Zeitungen wie der "Vaterlandsfreund" und "Geist der Zeit" und eines sehr erfolgreichen Almanachs. Kaufmann war Autor mehrerer philosophischer Werke, sein Name findet sich in jedem amerikanischen Philosophie Lexikon. Er war einer der Führer des Allgemeinen Schulausschusses der Deutschen in den Vereinigten Staaten. Politisch engagierte er sich als enger Freund und Vertrauter des 8. Präsidenten der Vereinigten Staaten Martin van Buren ( 1836-1841) für die Demokratische Partei. Er starb 1869.

Auf dem Gelände des Hauses Pilligertorstraße Nr. 10 stand ein Ende des 19. Jh. abgerissenes Haus, das dem Schneidermeister Wilhelm Schwab gehörte. Hier lebte zur Miete der jüdische Sattler Benjamin Kaufmann, mit seiner Familie. Sein 1835 geborener Sohn Salomon war 1860, um dem Militärdienst zu entgehen, nach Paris ausgewichen, wurde hier zum Sozialisten und 1869 wegen antiklerikaler Agitation des Landes verwiesen. Er ging nach England und gründete eine Fabrik für Geschenkartikel. Gleichzeitig schrieb er für die mit dem Sozialistengesetz 1878 verbotenen Zeitungen “Freiheit“ und “Der Sozialdemokrat“. Bei einem Besuch seines Vaters in Münstermaifeld wurde er verhaftet und vor dem Reichsgericht in Leipzig wegen “Hochverrats“ angeklagt. Die Anklageschrift gegen den “Schachtelmacher und Literaten“ Salomon Kaufmann lag Bismarck zur Kenntnisnahme vor. Es war der erste Prozess vor dem gerade gegründeten Reichsgericht. Dank seiner geschickten Verteidigung musste er freigesprochen werden. Er starb 1903 in London.

 

Büchel

 

Büchel
Steckbrief des Salomon Kaufmann, Schachtelmacher und Litterat, gesucht als gefährlicher sozialistischer Agitator, 1880.


Büchel blieb im Blick auf die Entwicklung des Tuchmachergewerbes, den Folgen des Wandels in den Produktionsmethoden, nur die Resignation und seine tiefe Gläubigkeit. Gab es 1792 noch 30 Tuchmacher in Münstermaifeld, waren es 1832 noch 7. Am Ende seines Lebens hatte er sich ganz in seine Welt der Folianten zurückgezogen. Selbst ein Armer geworden, blieb er aber seiner Verpflichtung zum Gemeinwohl treu. Er half weiter, so gut er konnte.
Auf seinem Grabstein sollten wir lesen: "Meine Verwandten haben mich verlassen, und die mich kannten, haben meiner vergessen". Wie sehr ihn seine Einsamkeit verbitterte lassen die Entwürfe von eigener Hand zu seinem Grabstein erkennen, die er 10 Jahre vor seinem Tod anfertigte. 

 

Entwurf Grabstein
Entwurf Grabstein
Entwurf eines Grabsteins von und für Johann Büchel-"Hier verweset..." aus dem Jahr 1835. Der Grabstein wurde wohl nicht gefertigt.